Entwicklung der Gutswirtschaft
in Mecklenburg und Vorpommern
Gut Kaltenhof, Atelier A. Mencke, um 1870
© Stiftung Mecklenburg
Gut Kaltenhof, Atelier A. Mencke, um 1870
© Stiftung Mecklenburg
In Ostelbien, also auch in Mecklenburg und Vorpommern, hatte die Gutswirtschaft bis 1945 eine dominante Stellung in der von Landwirtschaft geprägten Region. Eine Reihe von Gründen verursachte vor allem im 14./15. Jahrhundert die Herausbildung der Gutsherrschaft, die schließlich im 16. Jahrhundert zur Gutswirtschaft führte: das Ausbleiben des weiteren Zustromes von Siedlern aus dem entvölkerten Altsiedelland, die relativ schwache Stellung des Städtewesens in Ostelbien, die wachsende politische Macht der Stände, vor allem der Ritterschaft, gegenüber den Landesherren und nicht zuletzt das aus der wirtschaftlichen Situation geborene Interesse der Grundherren, den Bauern und seine Arbeitskraft im Dorf zu halten, gleichzeitig aber die eigene Landwirtschaft zu vergrößern.
Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts, vor der letzten großen Phase der Umwandlung von bäuerlichem Besitz in Gutsbesitz, dominierte die Ritterschaft die Grundherrschaften. 1907 wurden in Mecklenburg-Schwerin 59,7 Prozent und in Mecklenburg-Strelitz 60 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Betrieben mit mehr als hundert Hektar Größe bewirtschaftet. In der preußischen Provinz Pommern waren es 55,4 Prozent. Der Durchschnitt im Deutschen Reich betrug dagegen nur 22,2 Prozent.
Seit 1919 kam es bereits auf der Grundlage des Reichssiedlungsgesetzes zur Aufteilung einer Reihe bankrotter Rittergüter und staatlicher Domänen. Das Ende des Zweiten Weltkrieges veränderte in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands auch die Besitzverhältnisse. Doch weder die von Herbst 1945 an durchgeführte Bodenreform noch der in diesem Zusammenhang 1947 erlassene Befehl 209 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland, der unter anderem den Abriss von Gutsgebäuden für die Materialgewinnung zur Errichtung von Neubauernhäusern vorsah, und auch nicht die 1952 beginnende Kollektivierung der Landwirtschaft haben zum umfassenden Strukturwandel des Landes – wie er in den alten Bundesländern trotz größtenteils unveränderter Besitzverhältnisse durch wirtschaftliche Entwicklungen stattfand – geführt.
Oft wurden die erhaltenen Baureste der Güter in der DDR-Zeit überlagert, aber die seit 1990 stattfindenden Veränderungen sind wesentlich gravierender. Der bauliche und strukturelle Altbestand muss nun nicht mehr aus Mangel bewahrt werden. Einem Landesförderprogramm, das vor allem der »Verschönerung« der ländlichen Ortschaften dienen sollte, fielen in den zurückliegenden Jahren ungezählte historische Wirtschaftsgebäude der Gutsanlagen zum Opfer, deren offensichtliche Denkmaleigenschaften bis dahin amtlicherseits nicht erkannt worden waren. Durch die oftmals willkürlich oder kurzsichtig erscheinende Ausweisung neuer Wohn- und Gewerbegebiete kommt es noch immer zu einschneidenden und zumeist unumkehrbaren Veränderungen der Kulturlandschaft.